Mentalisieren als Brückenkomzept 

 Wieviele Therapieformen gibt es zurzeit auf dem Markt?

Natürlich hängt es davon ab wie man zählt, aber Therapieforscher gehen davon aus, dass es mehrere hundert Therapieformen gibt, so gezählt von den bekannten Therapieforscher Wampold & Ulvenes (2019). Jeder, der mit dem deutschen und anglo-amerikanischen Fachgebiet vertraute ist, weiß, dass nahezu jedes Jahr die eine oder andere neue Therapieformen neu auf den Markt drängt.

Wie konnte es zu einer solch absurden Situation kommen? Nach Allen (2022) liegen die Ursachen in einer theoretischen Verarmung (Norcross & Alexander  2019) und in einer ausufernden Antipathie gegen den empirischen Imperialismus (Castonguay et al. 2019).

Das Mentalisierungskonzept als Brückenkonzept zur Reduzierung dieser Absurdität gründet sich aus einer Reihe von Erkenntnissen:

  • p – Factor
  • Common factors
  • Epistemic trust
  • We-mode
  • Psychotherapie als 3-faches Kommunikationssystem

 

Der p-Factor

Ausgehend von den Erkenntnissen, dass Komorbidität die Regel ist – so hat in der Regel jeder Patient 2-3 Diagnosen – und dass in der Forschung die Faktorenanalysen im allgemeinen zeigen, dass die verschiedenen Diagnosen bei Persönlichkeitsstörungen hoch korrelieren, kommen mehrere Forschergruppen (Caspi et al. 2014, Sharp et al. 2015) unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, dass die Faktorenanalysen Folgendes zeigen:

Am besten lassen sich psychische Störungen durch einen p – Factor erklären (p für generelle Psychopathologie). Deshalb ist bei stark beeinträchtigten Patienten ist ein transdiagnostischer und personen-spezifischer therapeutischer Zugang sinnvoller als ein störungsspezifischer.

 „Common Factors“ oder „Welche Therapiemethode ist die erfolgreichste?“

Wampold, Laska und Kollegen machten Metaanalysen von nahezu allen bekannten Wirksamkeitsstudien zu  evidenzbasierten Behandlungen(Wampold et al 2018, Wampold 2015, Laska et al 2014) Sie konnten in mehreren Metaanalysen zeigen, was bereits bekannt war, nämlich dass, evidenzbasierte Psychotherapien hoch wirksam sind. Sie konnten dabei auch zeigen, dass gemeinsame Faktoren die zentrale Bedeutung hinsichtlich des Therapieerfolgs haben und dabei sind die Unterschiede in den Therapieverfahren eher sehr gering (s. Abb.). Überraschenderweise hat die Manualtreue keinen Einfluss auf den Therapieerfolg! Ebenso überraschend hat der Therapeut selbst aber einen großen Einfluss auf das Therapierergebnis, d. h. man kann davon ausgehen, dass es gute und schlechte Therapeuten gibt und die Unterschiede  im Behnadlungserfolg können groß sein.

Zentral hinsichtlich der „common factors“ sind: + die therapeutische Beziehung, + die Übereinstimmung in den Therapiezielen und Aufgaben, + die Ansprechbarkeit auf die Behandlung. Für die „common factors„ sind die Fähigkeiten zu mentalisieren, sowohl in Bezug auf den Patienten als auch den Therapeuten ein Mediator für den Therapieerfolg. Siehe dazu auch „Therapie als dreifaches Kommunikationssystem“.

Die gilt insbesondere von der therapeutischen Beziehung durch die die Schaffung von epistemischen Vertrauen (Allen 2022).

Epistemisches Vertrauen

Epistemisches Vertrauen ist in Hinsicht auf Psychotherapie „die Bereitschaft eines Individuums, die Kommunikation, die das Wissen einer vertrauenswürdigen Person vermittelt, als für die eigene Person verallgemeinerbar und relevant zu betrachten.“  ( Übers. JB, Fonagy & Luyten 2016).  Über das epistemische Vertrauen erfahren sie mehr unter „Epistemische Vertrauen“.

We-mode

Die Basis des We-mode ist die Koordination der subjektiven Erfahrung einer Person mit der subjektiven Erfahrung eines anderen,  koordiniert mit der externen Realität selbst. Die externe Realität kann z.B. eine Aufgabe oder ein zu lösendes Problem sein.

Der We-mode setzt die Fähigkeit zu mentalisieren voraus. Wenn die Mentalisierung geteilt wird, d. h., dass z.B. die Möglichkeit vorhanden ist, die unterschiedlichen Perspektiven auf die Realität zu teilen. Das gemeinsame Teilen des „Minds“ jeweils des andren ist der We-mode. (Mind engl.: Psyche, d.h. mehr als Kognition und Affekt).

Der We-mode ist der Schlüssel zur Wiederherstellung von Vertrauen (Fonagy 2022). Es ist eine Schaffung im Hier und Jetzt. Es kommt und geht.

Psychotherapie als dreifaches Kommunikationssystem

Bewusste und unbewusste Kommunikation kann als die Grundlage aller psychotherapeutischen Prozesse verstanden werden.

Drei Aspekte lassen sich Unterscheiden:

+ Die Therapietheorie des Therapeuten

+ Wiedererlangen von robuster Mentalisierung

+ Wiederherstellung von sozialem Lernen

Siehe hierzu „Psychotherapie als dreifaches Kommunikationssystem“

 

Literatur

Allen, J (2022) Trusting in Psychotherapy. American Psychiatric Association Publishing. Washingtonastonguay LG, Constantino MJ, Xaio H (2019) Integrating research and practice. In: Handbook of Psychotherapy Integration 3rd  edition Norcross JC, Goldfried MR (Ed) Oxford University Press, NY, pp 432-4727

Castonguay LG, Constantino MJ, Xaio H (2019) Integrating research and practice. In: Handbook of Psychotherapy Integration 3rd  edition Norcross JC, Goldfried MR (Ed) Oxford University Press, NY, pp 432-4727

Norcross JC, Alexander EF (2019) A primer on psychotherapy integration. In: Handbook of Psychotherapy Integration 3rd edition Norcross JC, Goldfried MR (Ed) Oxford University Press, NY, pp 3-27

Sharp, C., Wright, A. G. C., Fowler, J. C., Frueh, B. C., Allen, J. G., Oldham, J., & Clark, L. A. (2015). The structure of personality pathology: Both general (‘g’) and specific (‘s’) factors? Journal of Abnormal Psychology, 124(2), 387–398. https://doi.org/10.1037/abn0000033

Wampold BE, Imel ZE, Flückiger C (2018) Die Psychotherapie – Debatte. Was Therapie wirksam macht. Hogrefe. Bern

Wampold BE & Ulvenes PG (2019). Integration of common factors and specific ingredients. In: Handbook of Psychotherapy Integration 3rd edition Norcross JC, Goldfried MR (Ed) Oxford University Press, NY, pp 69-87

Wampold BE (2015) How important are the common factors in psychotherapy? An update. World Psychiatry 14(3): 270-277 Published online 2015 Sept 25. dos: 10.1002/wps.20238