MBT-Gruppe

 

 

Gruppenkontexte  (Team, Station, Informationsgruppe, Therapeutische Gruppe) sind ein ideales Feld zur Förderung der Mentalisierung. Nicht alle Gruppen fördern Mentalisierung. Eine Reihe von Gruppenkontexten erschweren oder behindern Mentalisierung, zum Beispiel ein autoritärer Gruppenleiter. Über die zur Förderung der Mentalisierung geeigneten Bedingungen und Kontexte in Gruppen wird im Folgenden berichtet.
Es gibt zwei Formen von Gruppen die speziell dem Mentalisierungskonzept folgen MBT-I Psychoedukationsgruppe und MBT-G Mentalisierungsbasierte Gruppentherapie: Gemeinsame Ziele sind die Schaffung von Gruppenkohäsion, die Förderung von Selbstöffnung, Förderung von epistemischen Vertrauen, Förderung von sozialem Lernen sowie die Förderung und Aufrechterhaltung des Mentalisierens.

Die MBT-I Psychoedukationsgruppe MBT

In Gruppen von ca. 10 Teilnehmern wird in ca. 10 Sitzungen über das Mentalisierungskonzept und Mentalisierungsbasierte Behandlungen informiert.
Die Information sollte nicht rein intellektuell sein, sondern  durch Übungen, Interaktionen in der Gruppe wie z. B. Rollenspiele vermittelt werden.

Themen nach Bateman & Fonagy (2016, S.289 ff)

    • Was heißt Mentalisieren und eine Mentalisierende Haltung einnehmen.
    • Was ist uneffektives Mentalisieren?
    • Emotionen
    • Mentalisierte Affektivität
    • Die Bedeutung von Bindungsbeziehungen
    • Bindung und Mentalisieren
    • Persönlichkeitsstörungen
    • MBT Teil 1
    • MBT Teil 2
    • Angst, Bindung und Mentalisieren

Diese Form der Informationsvermittlung über MBT ist vor allem in Kliniken möglich.

MBT-G mentalisierungsbasierte Gruppentherapie

Die Mentalisierungsfähigkeit einer Gruppe hängt von der Mentalisierungsfähigkeit jedes einzelnen Gruppenmitglieds ab (Fonagy in Duschinsky et al. 2019). Aber die Mentalisierungsfähigkeit einer einzelnen Person hängt auch von seinem Umfeld ab. Wir können z. B. in einem angstfreien Umfeld besser mentalisieren als in einem Feld von dem Bedrohung ausgeht.

Die Stärke, den Kopf zu behalten wenn andere ihn verlieren, ist eine Fähigkeit, die wir uns wünschen, aber sie ist uns nicht immer gegeben.

Es gibt mehrere Modelle zur MBT-Gruppenpsychotherapie, die weiter ausgeführt werden in:

  • Karterud (2015) Mentalization Based Group Therapy (MBT-G)
  • Fonagy, Cambell, Bateman et al (2017) Mentalizing, Attachment, and Epistemic Trust in Group Therapy
  • In: Mentalization-Based Treatment for personality Disorders – A Practical Guide.
  • Schultz-Venrath (2020)  Mentalisierungsbasierte Gruppenpsychotherapie (MBT-G)

 

Die folgenden Ausführungen nehmen in modifizierter Form und Inhalt Bezug auf Bateman & Fonagy (2016) Mentalizing Groups.

  1. Aufgaben des Therapeuten in der MBT-Gruppe:
    • Führung aufrecht erhalten ohne autoritär zu werden
    • Mentalisieren aufrecht erhalten
    • Fokus aufrecht erhalten
    • Nichtmentalisierende Dialoge unterbinden (stop-rewind-explore)
    • Arousal regulieren (insbes. Angst)
    • Nicht-wissende Haltung aufrechterhalten
    • Neugier und Interesse an Beziehungen und Motiven aufrecht erhalten
    • So weit wie möglich im Hier und Jetzt bleiben
    • Eigene Mentalisierung als Vorbild zur Verfügung stellen.
  2. Psychodynamische und Mentalisierungsbasierte Gruppentherapie: die Unterschiede
    • Der Therapeut ist ein aktiver Teilnehmer und strukturiert den Gruppenprozess.
    • Der Therapeut folgt der Haltung des Nicht Wissens.
    • Der Therapeut zentriert weniger auf das Ergebnis, d.h. das Ziel ist nicht primär die Einsichtsförderung. Sein Ziel ist  die Förderung des Erkenntnisprozesses durch Aufrechterhaltung des Standpunkt des Nichtwissens.
    • Der Therapeut vermittelt in der Gruppe eine Haltung der Neugierde.
    • Der Therapeut gibt keine Deutungen, vor allem nicht in Bezug auf die unbewussten Prozesse der Teilnehmer.
    • Der Therapeut macht keine Deutungen von unbewussten Gruppenprozessen.
  3. Das Gruppensetting
    • Die MBT-Gruppe hat ein bis zwei Therapeuten und 6-8 Patienten. Die Gruppe ist festgelegt auf die Dauer von 1- 1 ½ Stunden. In Kliniken finden die Gruppen meistens mehrmals in der Woche statt. Für Schultz-Venrath (2020) liegt der Fokus in der Klinik-Behandlung weitgehend auf der Gruppentherapie.
  4. Hinweise für den Therapeuten zur Leitung und Struktur einer MBT-G

    • Die Gruppe beginnt mit einer Austauschrunde und der Zusammenfassung der vorherigen Gruppensitzung.
    • Der Leiter achtet auf die Affekttoleranz der Teilnehmer und verhindert die Eskalation aggressiver Ausbrüche.
    • Ist ein Affekt zu hoch oder ein Konflikt zu heftig und interferiert zu stark mit dem Gruppenprozess, so kann der Leiter den Vorschlag machen, das Problem für eine Zeit lang außerhalb des aktuellen  Gruppenprozesses zu „parken“ um es dann später wieder in die Gruppe hinein zu holen.
    • Der Leiter stellt sich aktiv hinter einen Patienten, der in der Gruppe in zu große Bedrängnis gerät.
    • Der Leiter fokussiert auf die Chancen zu Mentalisieren.
    • Der Leiter fokussiert  auf die Explorationen interpersoneller Ereignisse. Es sollten ein bis höchstens zwei Ereignisse zum Fokus während einer Gruppensitzung werden.
    • Der Leiter fokussiert auf das Hier und Jetzt.
    • Der Leiter erklärt warum es nicht ratsam ist Ratschläge zu geben und realisiert diese Sichtweise selbst.
    • Der Leiter versucht bei einen fokussierten Problem den Mentalisierungsloop ( s. mentalisierung.net/therapie/fokusformulierungen) zu realisieren.
    • Der Leiter versucht für sich Bedingungen zu schaffen, die es ermöglichen seine eigene Mentalisierung aufrecht zu erhalten.

 

Literatur

Bateman A, Fonagy P (2016) Oxford University Press, Oxford

Duschinsky, R., Collver, J., & Carel, H. (2019). “Trust comes from a sense of feeling one’s self understood by another mind”: An interview with Peter Fonagy.

Psychoanalytic Psychology, 36(3), 224–227. https://doi.org/10.1037/pap0000244

Fonagy P, Campbell C, Bateman A (2017) Intern. J Group therapy 67:176-201 DOI:10.180/00207284.2016.1263156